Der Andere ist ein Spiegel

Das Leben hat ein Gesetz, das sehr seltsam erscheint, aber auch sehr hilfreich sein kann, wenn man es kennt. Dieses Gesetz ist einfach und lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:

Der Mensch, der vor uns steht, ist ein Spiegel, der uns unser eigenes Bild widerspiegelt. 

Man kann sich jeden Tag von der Richtigkeit dieser Behauptung überzeugen: dafür muss man sich nur umschauen. Manche Leute unterhalten ständig konfliktvolle Beziehungen zu den anderen, andere dagegen haben ihr ganzes Leben lang nur Freunde. Warum wird jemand in einer bestimmten Lage angegriffen, und warum ein anderer nicht? Schlichtweg, weil die Qualität unserer Beziehungen zu den anderen von unserem inneren Zustand bestimmt wird. Lesen Sie die Geschichte von Béatrice. Diese bietet eine wunderbar zutreffende Anschauung dieser Erkenntnis: Béatrice ist nicht angegriffen worden, weil es in ihrem Inneren keine Gewalt gab.

Ich stelle in meinem Beruf (als Mathelehrer an einem Gymnasium) oft fest, dass manche Schüler sich mit einem Lehrer ständig in Konflikt befinden, überhaupt nicht lernen wollen, sich negativ und respektlos verhalten, während sie sich bei einem anderen Lehrer extrem positiv verhalten und sich bemerkenswert anstrengen. Wieso dieses unterschiedliche Verhalten ? Die Antwort ist einfach. Vielleicht wird sie nicht all meinen Kollegen gefallen, aber es ist eine Tatsache: Der Schüler spiegelt dem Lehrer sein eigenes Bild wider.

Um auf unser Thema, nämlich das Erreichen der höchsten Wirksamkeit in den Kampfsportarten zurückzukommen, haben wir letzte Woche gelernt, dass eine höhere Effektivität daraus resultieren sollte, « dafür zu sorgen, dass es dem anderen nicht einmal einfällt,  anzugreifen. »

Geht man davon aus, dass der andere ein Spiegel ist, dann ist das Mittel simpel: Unser Handeln muss sich auf uns selbst beziehen. Nicht der andere, sondern wir sind der Feind. Wir müssen unsere Ängste, unsere Aggressivität überwinden. Wir müssen in unserem Herzen Frieden finden. Haben wir es nicht schon festgestellt: An den Tagen, an denen es uns innerlich schlecht geht, wird unsere Umgebung schnell davon angesteckt: Wir werden aggressiv, und der Konflikt bricht aus. Inneren Frieden zu finden, ist keine einfache Sache. Ein erster Schritt besteht darin, sich selbst so zu akzeptieren, wie man ist mit seinen Stärken und Schwächen. Man kann die anderen nicht lieben, wenn man sich selbst nicht liebt. Wenn der Frieden in uns ist, dann können wir die Liebe um uns herum ausstrahlen, und dies ist der wirksamste Schutzschild gegen alle Angriffe. Wenn diese Liebe, die wir den anderen entgegenbringen, echt, bedingungslos und hell ist, dann kann der andere uns nicht angreifen. Er wird keine Lust darauf haben. Im Gegenteil, er wird versuchen, uns einen Teil dieser empfangenen Liebe wiederzugeben. Meister Noquet lehrte uns nichts anderes, und er gab uns den Schlüssel zum höchsten Grad der Wirksamkeit, als er sagte: « Erheben Sie Ihr Herz lieber als Ihr Schwert! »